Systemintegrator für weltweite Organisation der gesamten Lieferkette
Der Flugverkehr steigt jährlich um circa fünf Prozent – eine Herausforderung für die Flugzeugindustrie. Ein zeit- und kosteneffizientes Management der gesamten Lieferkette und eine zentrale Koordination der weltweiten Materiallieferungen bieten passende Lösungen.
Wie ein gigantisches Puzzle wird eine Boeing 747 aus Millionen von Einzelteilen zusammengebaut. Der Ablauf ist streng vorgegeben. Jeder Arbeitsschritt greift in den nächsten: Schon eine etwas zu spät gelieferte Radaufhängung oder eine fehlende Türklinke kann die gesamte Produktion ins Stocken bringen.
Enge Terminpläne sind eine große Herausforderung für alle Hersteller:innen von Flugzeugen. Besonders, wenn sich jeder seiner Zulieferer:innen selbst um die Beschaffung der Rohmaterialien kümmert. So war es bis 1998 auch bei Boeing. Seitdem organisiert thyssenkrupp Aerospace exklusiv die gesamte Lieferkette (Supply Chain) für Aluminium und Titan. Der Vertrag mit Boeing ist im Bereich Flugzeugbau weltweit der umfassendste seiner Art. Insgesamt betreibt thyssenkrupp Aerospace im Bereich Luft- und Raumfahrt über 42 Servicezentralen in 19 Ländern und auf fünf Kontinenten.
Die Idee ist einfach: Boeing ist der Eigentümer des Rohmaterials und gibt dieses zu langfristig garantierten Preisen an die Zulieferbetriebe ab. Das erhöht die Planungssicherheit. Patrick Schatz, Vice President in Seattle, erklärt: „Wir managen als Systemintegrator die gesamte Lieferkette, reduzieren die Komplexität und koordinieren zentral die Materiallieferungen. Mehr als 500 Teilelieferanten für Boeing aus der ganzen Welt wenden sich direkt an uns, wenn sie Metalle benötigen.“
Täglich kommen mehr als 3.000 Anfragen: von Mitsubishi in Japan, das die Flügel für den neuen Dreamliner (Boeing 787) baut, aber auch von der Werkstatt in Kansas, die Teile für den Türmechanismus der Boeing 777 herstellt. In dringenden Fällen wird eine Order innerhalb von nur vier Stunden abgewickelt, das Material passgenau zugeschnitten, verpackt und versendet.
Alles auf Lager
thyssenkrupp hat alle benötigten Materialien auf Lager: vom 0,25 Millimeter dünnen Blech bis zu 25,4 Zentimeter dicken Platten und Profilen in verschiedenen Qualitäten und Zusammensetzungen. „Um möglichst effizient zu arbeiten, ermitteln wir vorab den genauen Bedarf“, sagt Schatz. „Wir verfügen über eine sehr erfolgreiche Planungsabteilung, die eigenentwickelte Prognosesysteme zu Warenbestandsmanagement und Forecasting nutzt sowie webbasierte IT-Lösungen zur zeitnahen und verlässlichen Kund:inneninformation einsetzt. Unser Team aus Statistiker:innen und Analytiker:innen bekommt Produktions- und Vertriebsdaten von Boeing, zieht Vergleichswerte aus Vorjahren heran, prüft die laufenden Aufträge und gleicht aktuelle Lagerbestände ab. So können wir unsere Kund:innen zuverlässig bedienen.“
Zuverlässig, effizient und günstig: thyssenkrupp setzt auf „Cut to size, just in time“. Früher legte der Kunde oder die Kundin Vorräte an, kaufte ganze Platten und Bleche und schnitt sie selbst zu. Dabei entstand Schrott, was sich in den Gesamtkosten niederschlug. Heute schneidet thyssenkrupp in den Lagerhäusern das Metall im Vorfeld zu. Immer öfter entwickeln die Ingenieur:innen in Seattle sogar detaillierte Schnittmuster, die bereits annähernd die Konturen des späteren Produkts aufweisen. Die Rohlinge werden mit computergesteuerten Wasserstrahlschneidern herausgetrennt und an die Zulieferer:innen verschickt. Die Metallreste werden sortenrein recycelt. Das schont Ressourcen und spart sehr viel Energie.
Boeing zeigt sich höchst zufrieden und hat den Vertrag mit thyssenkrupp bis 2018 verlängert. Der Trend, dass in der Luftfahrt Aluminium immer öfter durch Verbundfaserwerkstoffe ersetzt wird, bereitet thyssenkrupp keine Sorgen. „Wir sehen uns nicht in erster Linie als Werkstofflieferant, sondern als Supply Chain Optimierer. Unser Know-how können wir jederzeit auf andere Materialien und auch Fertigteile anwenden“, verrät Schatz.